Familie Schulte Bisping 1806
Im Frühjahr 1806 gehörte das Münsterland noch zum Königreich Preußen. Auf dem Hof Schulte Bisping lebten zu dieser Zeit Angela Elisabeth Schulte Bisping (34 Jahre, geborene Schulte Bösensell) und ihr zweiter Ehemann, Bernhard Schulte Berning (31 Jahre) mit mehreren Kindern und der Großmutter.
Der erste Ehemann von Angela Elisabeth Schulte Bisping war Erbe des großen Schultenhofes. Er starb Anfang des Jahres 1800. Nur knapp sechs Monate später, am 7. Oktober 1800, heiratete Angela Elisabeth ein zweites Mal. Aus erster Ehe hatte sie zwei Kinder. In den folgenden Jahren bis 1812 bekam das Paar insgesamt sechs weitere Kinder. Außerdem lebten mindestens vier Knechte und Mägde mit auf dem Hof.
Am 16. März 1806 wurde der Sohn Ludwig Ferdinand August Schulte Bisping geboren und vermutlich auf dem Hof getauft.
Hörerlebnis:
Lassen Sie sich mit unserem Hörspiel durch den Münsterländer Gräftenhof führen.
Am Vorabend einer Haustaufe
Die Einrichtung im Saal zeigt, wie die Vorbereitungen am Vorabend des Festes ausgesehen haben könnten. Ein Priester sollte ins Haus kommen, um dem Säugling das Sakrament der Taufe zu spenden. Die Eltern erwarteten die Paten, Verwandte und Nachbarn als Gäste.
Als Taufgeschirr sind hier eine sogenannte Beckenschläger-Schüssel aus Messing und ein Kännchen aus Zinn bereitgestellt. Weiteres Geschirr zur Bewirtung der Taufgesellschaft steht auf dem Tisch im Saal und in der „besten Stube“.
1806 lebten außer dem Neugeborenen noch fünf weitere Kinder auf dem Hof Schulte Bisping: zwei Mädchen aus erster Ehe sowie ein Junge und zwei Mädchen aus zweiter Ehe. Sie schliefen vermutlich in den beiden hinteren Kammern neben dem Saal. Bis 1812 bekam das Ehepaar noch drei weitere Kinder.


Nachtruhe
In der Schlafkammer steht ein zeittypisches Himmelbett des 18. Jahrhunderts für das Schultenehepaar, daneben eine Wiege für das neugeborene Kind. Ein Taufkleid liegt bereit. Die Truhe unter dem Fenster wurde um 1800 zurückhaltend rot und blau bemalt. Auf der „hohen Kante“ des Himmelbettes steht eine „Wöchnerinnenschüssel“ aus Keramik (Ton). Darin bekam die junge Mutter eine Hühnersuppe von den Nachbarinnen. Traditionell wurde dieser Suppe eine kräftigende und heilende Wirkung nachgesagt.
Wohnen für Senioren
Die Mutter des ehemaligen, Anfang 1800 verstorbenen Hoferben, war Anna Catharina Schulte Bisping (geborene Buschkamp) Im Jahr 1806 war sie 84 Jahre alt und lebte als Großmutter (Leibzüchterin/Altenteilerin) mit im Haus. Mit 36 Jahren hatte sie 1758 den Witwer Everhard Schulte Bisping geheiratet. 1787 brannte ihr Haus ab und wurde wiederaufgebaut. Ihr Mann starb 1792. Sie bewohnte die Altenteilerkammer im Haus. Am Bett steht ein Toilettenstuhl (Leibstuhl) mit einem Nachttopf. Der Seniorin blieb so der weite Weg zum Abort im Stallteil des Hauses erspart.


Heizen und Kochen für alle im Haus
Die große Kaminküche (das Flett) ist der zentrale Wohn- und Arbeitsraum in den Bauernhäusern des Münsterlandes. Anders als in den Hallenhäusern leitet hier ein Schornstein den Rauch aus dem Haus. Im Rauchfang wurde Fleisch geräuchert. Die offene Herdstelle ist als Mittelpunkt des Hauses repräsentativ gestaltet.
Die täglichen Speisen wurden am offenen Feuer gekocht und gebraten. Kochtöpfe und Pfannen hingen an höhenverstellbaren Kesselhaken. Am „Herdfeuer“ trafen sich die Hausbewohner am Abend. Eine große, hölzerne Windfangtür trennte die Küche von der Diele und verhinderte Zugluft. Am Esstisch unter den Fenstern nahm die Schultenfamilie gemeinsam mit Knechten und Mägden die Mahlzeiten ein. Dabei gab es eine klare Sitz- und Rangordnung unter dem Vorsitz des Schulten und seiner Frau, die oft die „Meiersche“ genannt wurde.
Geschenke der Nachbarn
Auf einer Seite der Küche befindet sich der „Waschort“ mit dem Spülstein zum Abwaschen des Geschirrs. Durch ein Loch in der Wand floss das Spülwasser nach draußen ab.
Licht bekommt der riesige Küchenraum (das Flett) durch große, bleiverglaste Fenster. Farbige Wappenscheiben, sogenannte Fensterbierscheiben, waren Geschenke von Freunden und Nachbarn zum Fest der Hauseinweihung, dem „Fensterbier“. Die Fachwerkwände der Küche sind mit weißer Kalkfarbe gestrichen. Türen und Holzbauteile zeigen einen dunklen, rotbraunen Farbton. Diese Farben wurden im Zuge wissenschaftlicher Forschungen als die historischen Originalfarben ermittelt.


Für Gäste nur die „beste Stube“
Die große Stube ist mit einem Ofen beheizbar. Sie hat eine Sockeltäfelung, eine französische Landschaftstapete (Rekonstruktion) und ein umlaufendes Stuckprofil an der Decke. Hochwertige, furnierte Möbel verleihen dem Raum ein vornehmes Ambiente im Stil des Frühklassizismus („Zopfstil“). In der „besten Stube“ empfing die Schultenfamilie vor allem Gäste. Als wohlhabende Großbauern orientierten sich viele Schulten in ihrem Wohn- und Einrichtungsstil am Adel des Münsterlandes und am gehobenen Bürgertum der Stadt Münster.
An dem Sekretär schrieb der Schulte Briefe und erledigte die Buchführung. Eine abschließbare Lade enthielt die wichtigsten Hofdokumente. Sie konnte bei einem Brand schnell herausgetragen werden.
Wärme für Winterarbeiten und Geselligkeit
In der beheizbaren Winter- oder Werkstube saßen Familienangehörige und Hofgesinde besonders im Winter zusammen und erledigten häusliche Arbeiten. Hier wurde Leinengarn gesponnen, man strickte außerdem Strümpfe aus Wolle oder bügelte Wäsche. Die „Spinnstube“ war auch ein Ort der Geselligkeit für die jungen Leute auf dem Hof.
Die Werkstube war schon um 1800 Gesinde- oder „Leutestube“, also ein Arbeits- und Aufenthaltsraum für die Knechte und Mägde des Hofes, die oft schlicht als „Leute“ bezeichnet wurden.


Mägdekammer
Die Mägde schliefen in der Nähe der Küche, ihrem wichtigsten Arbeitsplatz. Oft besaß eine Dienstmagd als ihr einziges Möbelstück eine Truhe für Kleidungsstücke und persönliche Dinge, die Kiste oder Koffer genannt wurde. Trat die Magd zu Martini (11. November) eine neue Stelle an, nahm sie den Koffer mit.
Die Schlafkammer der Knechte befand sich dagegen im Stallteil des Hauses, meistens über den Pferdeställen neben dem Dielentor. Die Schlafplätze von männlichen und weiblichen Dienstboten waren streng getrennt.