Hochzeit 1825: Der Morgen nach der Feier
Im Herbst 1825 gehörte das Mindener Land noch zu Brandenburg-Preußen. Der Hof wurde 1673 erbaut und blieb über Generationen bis 1960 im Besitz der Familie Brand-Bussing. Das Niederdeutsche Hallenhaus mit Nebengebäuden und Walmdach ist regionaltypisch für das Gebiet an der mittleren Weser. Auf den fruchtbaren Böden wurde Weizen angebaut und Weidevieh gehalten.
Der Familie gelang es über Generationen hinweg wirtschaftlich vorteilhaft zu heiraten und so stetig Land und Viehbestand zu erweitern. Am 4. November 1825 heiratete der dreißigjährige Hoferbe Ernst Wilhelm Brandt. Seine Braut Sophie Wilhelmine Friederike Korte, geboren 1807, stammte von einem großen Hof mit viel Land. Es war üblich, dass die Braut mit einer Vielzahl von Gütern auf den Hof des Ehemanns zog.
Es ist der Morgen nach der Hochzeit. Einer der Brautwagen steht noch auf der Diele. Erst nach und nach wird die Mitgift heute abgeladen und ihren neuen Platz auf dem Hof finden.
Am Hochzeitstag wurde die Braut noch vor der eigentlichen Hochzeitsfeier mit einem oder mehreren Brautwagen in ihr neues Zuhause gefahren. Die gesamte Umgebung und das neue Heimatdorf sollten die schon lange vorbereitete Aussteuer sehen. Brautwagen, in der Regel umgestaltete Leiterwagen, wurden für den festlichen Anlass von Freundinnen und Nachbarinnen aufwendig mit Blumen und bunten Bändern verziert.
Es gab regional leicht unterschiedliche Bräuche den reich geschmückten Wagenzug anzuhalten und einen „Wegezoll“ einzufordern oder auch auf das Brautpaar anzustoßen. Hatte der Bräutigam die Aussteuer auf Vollständigkeit geprüft, konnte die Hochzeitsfeier beginnen. Die Höhe der mitgebrachten Güter war ein zentraler Bestandteil der Verhandlungen zwischen den Eltern des Brautpaars. Je vermögender die Familie der Braut war, desto größer fiel die Aussteuer aus. Sie bestand neben Land, Geld und Vieh aus Möbeln, Arbeitsgeräten und Textilien für den zukünftigen gemeinsamen Haushalt. Ganz typische Brautmöbel waren Schränke, Truhen, Tische, Stühle und auch Kindermöbel, wie Wiegen. Auch Saatgut und Lebensmittel, wie Schinken und Würste, brachte die Braut mit in die Ehe.
Es gab Gegenstände, die eine große symbolische Bedeutung hatten und nicht fehlen durften: Dazu gehörte ein Spinnrad als Sinnbild des Fleißes und ein Besen, der für die Reinlichkeit der Braut stand.
Auch Sophie Wilhelmine fuhr vermutlich am Morgen des 4. November 1825 von ihrem elterlichen Hof in Jössen bei Petershagen auf einem ihrer Brautwagen nach Kleinenheerse in ihr neues Zuhause. Der Erste mit neuem Bett und ihrer Brauttruhe war bereits vor der Feier eingetroffen. Am nächsten Tag galt es noch einen letzten Brautwagen mit Schrank, Wiege, Hausrat und Lebensmitteln zu entladen.


Die große Kaminküche war der zentrale Wohn- und Arbeitsraum, wie auf vielen Höfen dieser Zeit. Hier wurde gekocht und die Wärmequelle für gröbere Arbeiten im Haus genutzt.
Am großen Tisch nahm die Familie gemeinsam ihre Mahlzeiten ein. Um 1825 lebten neben dem Hoferben Ernst Wilhelm und seiner Braut Sophie Wilhelmine, seine Mutter Anna Margarethe und die Schwester Johanne auf dem Hof. Auch drei Brüder von Ernst Wilhelm arbeiteten in der Landwirtschaft mit. Sie blieben lange auf dem Hof. Durch eine späte Heirat, als zweiter Ehemann einer verwitweten Frau, nutzen sie ihre Chance einen eigenen Hof zu übernehmen. In dieser Region war es üblich den Hof mit den unverheirateten Geschwistern zu bewirtschaften.
Es lebten also sieben Erwachsene und vermutlich auch Knechte und Mägde auf dem Hof Bussing. Die erste Tochter von Ernst und Sophie wird 1827 geboren.
Erst fünf Jahre nach ihrer Eheschließung ist Ernst Wilhelm auch offiziell der Hofeigentümer. Vorrausgegangen waren Verhandlungen über das Erbe und Auszahlungen an seine Geschwister und seine Mutter. Im Zuge dessen wurde der gesamte Hofbesitz, das Inventar aufgenommen. So ist ziemlich genau nachvollziehbar, wie begütert der Hof der Familie Bussing um 1830 war, aber auch dass die Auszahlungen an die Familie den Hof in wirtschaftliche Engpässe brachte.
Ein weiterer Schicksalsschlag war der Tod von Ernst Wilhelm, der bereits 1840 an einem Hirnschlag stirbt. Sophie Wilhelmine ist 33 Jahre und hochschwanger. Das Paar bekam insgesamt in sieben Kinder, vier Töchter und drei Söhne. Nur zwei, Marie Sophie Lisette und der Hoferbe Johann Ernst August wurden erwachsen. Besonders traurig muss auch das Jahr 1846 für Sophie gewesen sein, da sie drei ihrer Kinder, im Alter von 10, 13 und 19 Jahren, im Abstand von wenigen Wochen verliert.
Um wirtschaftlich zu überleben und den Hof für ihren Sohn zu erhalten, heiratet sie 1844 erneut. Auch die zwei Kinder dieser zweiten Ehe werden nicht alt. Ihr zweiter Mann Karl Ludwig August Gieseker schafft es aber trotz der familiären Rückschläge die wirtschaftliche Lage des Hofes wieder deutlich zu verbessern.
